Montag, 2. Dezember 2013

in jedem Ende liegt ein neuer Anfang

Ich war seit fast 25 Jahren beim selben Arbeitgeber beschäftigt, auch wenn der Name zwischendurch wechselte. Erst war es ein deutsches Unternehmen mit 3 Buchstaben, dann landeten wir über mehrere Zwischenbesitzer bei einem schwedischen Unternehmen mit 3 Buchstaben. Beiden gemein war, dass einer der drei Buchstaben ein "B" für Bank war. Als erstes wurde konsolidiert, d.h. unser Rechner verschwand und wir benutzten den Mainframe der Schweden. Doppelte Stellen wurden im nächsten Jahr wegrationalisiert, und die folgenden Jahre hieß es, Ziel sind 9 % Einsparung pro Jahr. Wir erfüllten das Soll, und zur Belohnung gab es Kuchen aus Schweden. Die Anzahl der Kollegen schrumpfte, und Josef Ackermann gab für die Deutsche Bank das Ziel 25% RoE aus. In andern Worten, pro eingesetzten Euro Kapital hätte er gerne 25 Cent Gewinn gemacht. Hätte ich auch gerne, aber ich bekomme noch nicht einmal die Inflationsrate. Klar, dass das nur mit Risiko geht. Das Ergebnis kennen wir alle, es gibt ja kein anderes Thema mehr als die Bankenkrise. Das Erstaunliche: Gewinne der Banken werden privatisiert, Verluste dagegen fängt der Staat auf, sie werden sozialisiert. Warum eigentlich?
Mein Arbeitgeber wollte auch mehr als die Inflationsrate. Als das nicht klappte, verkaufte man das deutsche Privatkundengeschäft an eine spanische Bank, und mehr als die Hälfte der Belegschaft musste mit. Das war damals der Zeitpunkt, als ich Spanisch hassen lernte. Es gab mehr Spanier in der Kantine als Kollegen, und es schien mir, dass Spanier zwar mit einer kleineren Körpergröße ausgestattet wurden, dafür aber mit einem Organ, dessen Stakkato 5 Mitteleuropäer glatt wegpusten konnte. Irgendwann war die Migration geschafft, die Spanier wieder verschwunden, und nun besannen sich unsere Manager wieder auf ihre eigentliche Aufgabe: Konsolidierung, Einsparung, Gewinnmaximierung zum Wohle der Aktionäre. Die meisten meiner Kollegen waren noch länger als ich in der Firma gewesen, die hätte man nicht so ohne weiteres kündigen können. Man hatte einen Teil der IT aber klugerweise vorher in eine eigene Firma ausgelagert, und diese wurde nun komplett geschlossen. So eine Betriebsschließung schließt eine Sozialauswahl aus, das ist das Recht eines jeden Betriebes. Nokia hat es vor einigen Jahren vorgemacht, und ich denke, es gibt keinen Arbeitgeber, der heute anders handeln würde. Der Mensch bleibt auf der Strecke, und das ist von Politik und Gesellschaft so gewollt. Darwins Gesetz vom Überleben des Stärkeren gilt mehr denn je.

Jetzt kann man jammern über das Schicksal, dass es einem so übel mitspielt. Man kann sich auch um einen neuen Job bemühen. Ich habe beides gemacht, aber nur mit halben Herzen. Denn eigentlich war das die Chance, meinem Hobby Reisen ohne Zeitlimit und Abstimmen der Urlaubspläne nachzukommen. Jörg, den ich schon von der Motorradtour 2010 durch Südamerika kannte, wollte 2014 die Reise auf eigene Faust wiederholen, und es fanden sich schnell einige Mitfahrer. Nach einigem Hin und Her buchte ich den Flug und sagte der Truppe zu. Die Motorradreise selbst geht über 6 Wochen, ich werde aber schon 6 Wochen vorher nach Punta Arenas im Süden Chiles fliegen und von dort mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Valparaíso fahren. Schwerpunkte werden der Nationalpark Torres del Paine, der Perito-Moreno-Gletscher und der Nationalpark um den Fitz Roy sein; von dort geht's dann weiter nach Villa O'Higgins und die Carretera Austral hoch nach Norden. Je nach Zeit vielleicht noch ein Ausflug nach Bariloche, bevor ich Anfang März die Mopedfahrer treffe. Chile, Bolivien und Peru gehören zu den Ländern, die wir bereisen wollen, bevor die Motorräder wieder im Container verschwinden. Für mich sind danach noch knapp 4 Wochen Trekking in Peru angesagt, bevor ich von Lima aus nach Hause fliege.
Wie ich bei meiner Mongolei-Reise 2011 erleben musste, kommen die Dinge manchmal anders als gedacht. Damals hatte ich frustriert meine XChallenge verkauft, und den ganzen Fotorucksack mit der Canon-Ausrüstung auch. Jetzt habe ich doch wieder eine BMW 800 GS, und eine DSLR hat auch wieder einen Platz bei mir gefunden. Vielleicht sollte ich beim nächsten "Ereignis" einfach mal eine Zeit abwarten. Vielleicht war es aber auch gut so. Kennt ihr das Buch oder den Film über die letzten Tag des Journalisten Tiziano Terzani? Ein toller Bruno Ganz spielt da in "Das Ende ist mein Anfang", aber das Buch ist noch besser. Welche Zufälle in Terzanis Leben ganz entscheidende Rollen spielen, und wie am Ende alles einen Sinn ergibt! Ich weiß nicht, wie alt ich werde, aber diese Entlassung hat mir die Möglichkeit gegeben, Dinge jetzt zu machen, zu denen ich im Februar 2020, dem Zeitpunkt meines normalen Rentenbeginns, vielleicht gar nicht mehr in der Lage gewesen wäre. In jedem Ende liegt ein neuer Anfang, und es ist immer besser, das Neue zu gestalten als dem Alten nach zu jammern. Plötzlich sehe ich auch die spanische Sprache mit neuen Augen. Es ist nicht mehr die Sprache derer, die von meinem beruflichen Abstieg profitierten, sondern die Sprache der Länder Südamerikas, die ich bereisen will. Ein paar Brocken Spanisch sollte doch nicht so schwer zu lernen sein, oder? Hasta pronto!

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