Dienstag, 25. Februar 2014

Santiago

Die chilenische Hauptstadt ist ganz anders wie der Rest von Chile. Viel europäischer, moderner, Geschäftsleute im feinen Zwirn mischen sich unter die Strassenhändler, Damen tippeln auf ihren viel zu hohen Absätzen zum nächsten Modedesigner-Laden, um sich neu einzukleiden.Studenten liegen auf den Wiesen der Parkanlagen oder fahren mit ihrem Mountainbike Slalom um die Füssgänger in den vielen Fussgängerzonen zwischen Präsidentenpalast und Plaza del Armas.Am Sonntag. als ich ankam, war alles noch ruhig und beschaulich, die Avenida Providencia für Autos gesperrt und den Jogger und Radfahrern überlassen, Familien spielten auf den Grünanlagen. Seit gestern tanzt der Bär, tausende von Menschen wuseln hin und her, insgesamt 6 Millionen leben hier.
Santiago wurde 1541 gegründet, mehrmals durch die Mapuche-Indianer oder Erdbeben zerstört, aber es wuchs unaufhaltsam. 1875 waren es schon 150000 Einwohner, und mit dem aufblühenden Salpetergeschäft und dessen Geld wurden prunkvolle Bauten errichtet und immer mehr Menschen strömten hierher, inzwischen 35 % aller Chilenen. Das Parlament tagt zwar in Valparaiso, aber ansonsten liegen alle wichtigen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Institutionen hier. Es gibt eine Metro mit fünf Linien, es gibt Busse, aber auch zu Fuss kann man das Zentrum wunderbar erlaufen. Schade, dass ich keinen Foto mehr habe, das alles zu beschreiben führte zu weit.

Mit dem Navi fand ich gestern ziemlich schnell die Vertretung von American Airlines und konnte meinen Flug von Mai auf den 13.April umbuchen. Statt von Lima geht es jetzt von Santiago nach Hause, die Trekking-Tour nach Peru entfällt. 240 US$ hat mich das gekostet, dazu kommt noch der Bus von Arica nach Santiago. Den Flug Cuzco - Lima konnte ich nicht stornieren, aber diese Verluste bin ich gerne bereit zu tragen. Noch einmal ganz alleine in den Bergen Perus, wo die sozialen Unterschiede noch viel krasser sind, das traue ich mich momentan einfach nicht.

In jedem Reiseführer und auch in den Sicherheitshinweisen der deutschen Botschaften steht, dass Chile ein relativ sicheres Reiseland ist. Bei meinen Recherchen bin ich jetzt aber auf ganz andere Daten gekommen, z.B. im Informationsportal Krieg und Frieden der Bundeszentrale für politische Bildung. Dabei wurden einzelne Länder miteinander verglichen über 10 Jahre und ein Index im Verhältnis zur Einwohnerzahl gebildet. Durchschnittlich gibt es pro 100000 Einwohner insgesamt 49 Raubüberfälle, Tendenz stark steigend. Im südlichen Afrika , das ich als relativ gefährlich einstufen würde, liegt die Rate zwischen 100 und 200, in Asien dagegen nur bei etwa 25. Die beiden Länder an der Spitze dieser Liste sind Chile mit 1276 und Argentinien mit 905 Raubüberfällen pro 100000 Einwohnern. Insbesondere die jetzt wiedergewählte Präsidentin Bachelet geriet in ihrer ersten Amtszeit unter Kritik, weil sie zu wenig gegen die sich ausbreitende Kriminalität tun würde.

Selbst Touristen, die sich klüger als ich verhalten haben, werden in Südamerika immer öfter Opfer von Gewalttätern, siehe hier oder hier.

Nachmittags war ich dann auf dem 70m hohen Cerro Santa Lucia. Hier wurde die Stadt von Pedro de Valvidia gegründet,  einige wenige der spanischen Befestigungsanlagen sind noch erhalten. In dem Park mit Wasserspielen und vielen steilen Treppen amüsieren sich heute die Liebespaare und Touristen. Von oben hat man eine fantastische Aussicht auf die Hochhäuser Santiagos und die dahinter aufragenden Berge. Mit einem kostenlosen Aufzug mit einem stoischen etwa 80-jährigen Aufzugführer ging es dann wieder runter zur Calle Huerfanos, einer der Fussgängerzonen im Herzen der Altstadt. 

Als ich mich an den Grünanlagen vor Santa Lucia sonnte,  sprach mich eine junge Frau an und unterhielt sich mit mir über meine Reise. Ich dachte immer nur, was will die, habe meinen Beutel fest umklammert und alle Minute nach dem Geldbeutel gefühlt. Dabei war das nur eine nette Studentin, jedenfalls gebildet, denn sie sprach nicht nur Englisch, sondern sogar ein wenig Deutsch. Dann verabschiedete sie sich und saß dann mit einigen  Anderen unter einem Baum. Als ich ging, rief sie mir noch "Ciao, Aleman" zu, und ein Mann aus der Gruppe kam zu mir und zeigte mir das Buch von Frank Schätzing - Limit, auf deutsch. Ob ich das kennen würde, es sei sehr schwer zu lesen. Ich dachte nur, was will der, will er mir das verkaufen? Dann zeigte er mir noch seinen Ausweis und sagte, sein Großvater sei aus Stuttgart gewesen, deshalb sein Name Bessinger. Wir haben uns dann verabschiedet, und irgendwie habe ich mich geschämt, auf diese nette freundliche Art nur mit Angst und schnell weg reagiert zu haben. Vor dem Überfall habe ich mir genau diesen Kontakt mit den Chilenen gewünscht, jetzt kann ich ihn nicht annehmen. Das ist das Schlimme, was dieser Überfall mit mir gemacht hat, nicht die paar blauen Flecken oder die gestohlene Fototasche. Denn es hindert mich daran, mich auf das Land und die Menschen einzulassen, und zu nichts anderem reist man doch, oder?

Sonntag, 23. Februar 2014

nichts wie weg ... ab nach Santiago

Den ganzen Tag wartete ich gestern am Bus-Terminal in Puerto Montt, denn auf weitere Abenteuer in dieser Stadt konnte ich gut verzichten. Auf die Polizei legte ich ebenfalls keinen Wert, das hätte nur weiteren Ärger bedeutet und sowieso nichts gebracht. Versichert war ich auch nicht, also was soll's. Ein wahnsinniges Kommen und Gehen konnte ich beobachten, Tausende von Menschen fahren ab oder kommen an, draußen ist ein Volksfest aufgebaut und die Polizei reitet mit Pferden lang. Das Klo kostete 350 CLP, da kommt im Laufe des Tages ganz schön was zusammen. Meinen Rucksack hatte ich in der Zwischenzeit immer mit einem Drahtschloß an eine Stuhlreihe fixiert, er ist ja alles, was ich jetzt noch habe.
Endlich dann kam der Bus, kein Doppelstöcker, und auch sonst schon etwas heruntergekommen. Außerdem hielt der wirklich an jedem kleinen Ort. Kein Wunder, dass die Pullmann-Busse Tage vorher ausgebucht sind, die fahren direkt, haben Internet und Fernsehen und auch eine funktionierende Toilette. Ich saß ziemlich weit vorne, das war mir zu Anfang extrem unangenehm, weil ich nicht sehen konnte, was hinter mir vorging. Die Angst bleibt erst mal da, das muß ich so hinnehmen. Immer wieder kam mir das Bild in den Kopf, als einer der beiden Kerle die letzten Meter zu mir zurücklegte. Da war kein Zögern, kein Infragestellen, das war blanker Hass, Gewalt und Brutalität in seinem Gesicht zu lesen. Mir hatte das Leben etwas gegeben, was es ihm vorenthalten hatte, und das schürte die Wut, die er in seinem Gesicht herumtrug. Hätte ich etwas mehr aufgepasst, hätte ich die Beiden vielleicht ein paar Sekunden früher als Bedrohung wahrgenommen und mich vorbereiten können. So aber saß ich und kam so schnell gar nicht hoch, wie ich schon den ersten Schlag abbekommen hatte. Diese Beiden werden noch in den nächsten Wochen ihren nächsten Raubzug begehen, da bin ich mir sicher. Nicht immer wird es so glimpflich abgehen wie bei mir. Einen solchen Hass, wie er in dem jungen Mann war, den kann man nicht verdrängen, der schafft sich Raum und will ausgelebt werden.

Was mich ärgert, das ist, was dieser Überfall mit mir gemacht hat. Foto und ein paar Objektive, da braucht man nicht zu heulen, die sind ersetzbar. Aber ich ertappe mich dabei, wie eine Schnalle meines Rucksacks auf dem Fussweg durch Santiago seitlich hinten in mein Blickfeld gerät und ich sofort wieder Angst bekomme, da kommt einer von hinten. Dabei kamen sie ja von vorne! Oder ich schaue nach einer Parkbank zum Ausruhen, aber selbst am helllichten Tag habe ich Angst vor jungen Männern, die so aussehen, als guckten sie irgendwie neidisch auf meinen großen Rucksack. Tatsächlich schauen mich viele sonderbar an, aber als ich dann im Spiegel meines Apartements meine Nase sah, war mir klar warum. Ich habe ja keine Kamera und kein Handy mehr, und meine WebCam im Notebook stellt nicht nur alles auf den Kopf, sondern liefert auch miserable Qualität von 0,3 Megapixeln, aber ich stelle das Ergebnis trotzdem mal rein.

Santiago ist übrigens bisher eine positive Überraschung. Viele Fahrradwege und eine dem Centralpark nachempfundene Fläche mit Radfahrern und Inlineskatern, neben einem großen Brunnen Fitnesstraining bei toller Musik nicht nur mit feschen Damen, sondern auch betagten Herren, und im Literatur-Cafe gab es ausgezeichneten Cafe mit Kuchen. Mein Apartement liegt zwar etwas draußen, ist aber ruhig und mit viel Komfort. Küche mit Bartresen, Schlaf- und Wohnzimmer, und der Clou, einen Teil der Wand mit eingebautem Fernseher kann man um 180° drehen und so entweder vom Bett aus oder von der Wohnzimmercouch aus fernsehen. Wie manchmal in den Filmen, in denen Personen auf irgendeinen Schalter kommen und plötzlich durch die Wand verschwinden. Muss ich für daheim auch mal andenken.
Jürgen Urie schrieb von einem ähnlichen Erlebnis vor Jahren in Buenos Aires, mit glimpflichen Ausgang. Er sei dann mit Uwe Schneider auf den Schreck erst mal in die Bar nebenan gegangen. Ich glaube, das werde ich heute auch mal testen.
unfreiwillige Sparringspartner haben es schwer

Samstag, 22. Februar 2014

Alptraum Puerto Montt - der Überfall

Meine beiden Mitbewohner sind gestern Abend erst sehr spät in das Hospedaje gekommen, haben ihre unausgepackten Sachen geschnappt und draußen ihr Zelt aufgebaut. Ob das geplant war oder nicht, mir haben sie es nicht erzählt. Jedenfalls hatte ich das Zimmer für mich alleine, und nachdem der Lärm draußen weniger wurde, konnte ich auch ganz gut schlafen. Zum Frühstück gab es Brötchen mit Marmelade  und Butter sowie eine Wurst. Na ja, man hat es runterbekommen. Um 9:30 Uhr hatte ich fertiggepackt, bezahlte und dackelte so langsam zur Uferpromenade. Wenn ich euch jetzt erzähle, dass da ein Schild im Reisebüro stand, Vulkanbesteigung 9 Uhr, dann wundert ihr euch sicher genauso wenig wie ich mich. War mir inzwischen auch egal, es gab eine ganze Menge zu schauen. Da kamen erst mal 3 BMW 800 sowie eine BMW 1200 von Touratech und BMW getunt und wohl auch gesponsert. Gestartet waren sie in Malaysia, waren auch schon in München und bei TT, und danach ging es nach Buenos Aires und jetzt nach Bariloche. Der eine Typ war ganz cool, hatte sogar seinen eigenen Fotografen dabei, und der machte nicht nur mit seiner Nikon, sondern auch mit meiner einige Aufnahmen, auf denen ich auch drauf bin. Es kamen noch weitere Motorradfahrer, die ich teils auf der Fähre wiedertraf.
Irgendwann war es dann 15 Uhr, und das Verladen sollte beginnen. Allerdings mussten die LKWs erst mal ausgeladen werden, und dann die neuen rein. Wie die samt Anhänger rückwärts in die schmale Einfahrt reinkommen, kann man nur bewundern. Statt um 16 ging es dann um 17 Uhr los, und die ersten Stunden verbrachte ich trotz Wind erst mal auf dem Oberdeck und holte mir einen ganz ordentlichen Sonnenbrand. Zwischendurch hatte ich mal eine Unterhaltung mit einem deutschstämmigen Chilenen, der gerade Urlaub mit Familie gemacht hatte, natürlich mit dem Auto. Er erzählte mir, dass im Januar im Torres del Paine soviel Regen und Schnee runterkam, dass sie die Tour abbrechen mussten. Irgendwo holten wir mit dem Beiboot noch einige Passagiere ab, und um 2 Uhr nachts landeten wir endlich in Puerto Montt. Das Schiff, die Don Baldo, war mal ein griechisches Schiff, man sieht noch überall die Schrift. Die wegfahrenden Passagiere warteten schon, es war gerammelt voll, und ich wollte nur schnell zum Busterminal kommen, was nicht weit war.
Das klappte auch, nur war das Terminal geschlossen, obwohl innen Leute beim Putzen waren. Draußen waren einige Zelte aufgebaut, aber das sah mir so düster aus, da marschierte ich lieber weiter die Hauptstrasse entlang zu einer großen Bushaltestelle, wo auch Taxis warteten. Freitag Abend, es war jede Menge los in Puert Montt, viele Betrunkene, aber auch Frauen, die alleine rumliefen. Das gab mir ein sicheres Gefühl. Irgendwann musste ich dann mal in die Büsche, ging in den Park davor und nach der Erledigung meiner Bedürfnisse wieder zurück zur Strasse. Dummerweise nicht zu der großen Haltestelle von vorher, sondern eine davor. Zu der Zeit muss ich wohl schon beobachtet worden sein. Da waren nebenan ein paar Leute, die zelteten, und gegenüber einige Frauen, die sich unterhielten. Ich saß da gar nicht lang, kommen plötzlich zwei Jugendliche von vielleicht 18 bis 20 Jahren auf mich zu, und ich ahnte schon, dass die nicht nach der Uhrzeit fragen wollen. Der eine schlug mir gleich mal ins Gesicht und auf die Brille, aber dann versuchte ich zurückzuschlagen. Während ich aber mit einem beschäftigt war, nahm der andere meinen Rucksack, und nachdem ihm der zu schwer war, wollte er ihn öffnen, was ich erfolgreich verhinderte. Die ganze Zeit kamen sonst Autos, jede Minute, ausgerechnet in diesem Moment nicht. Jedenfalls ließen die beiden nicht locker und ich lag plötzlich da, was einer dazu nutzte, meine Fototasche an sich zu raffen und über ein Gitter auf die andere Strassenseite zu hüpfen. Da kam ein Auto, dem ich wild gestikulierte, aber das fuhr einfach weiter. Und die Zeltleute und die Frauen reagierten auch nicht. Als ich mit meinen Bergschuhen hinterher wollte, stürzte ich an dem Gitter, und weg waren sie.

Als zukünftig keine Fotos mehr von mir, und anrufen kann ich auch nicht mehr. Die Samsung samt 5 Objektiven war in der Fototasche, ein paar Kabel und ein Stecker, das Handy und leider auch 3 große Speicherkarten. Aber die sind jetzt weg, das kann ich verschmerzen. Materialwert gebraucht zwar vierstellig, aber nicht viel drüber. Ich denke mal, diese Kerle werden nicht viel mehr als 100 - 200 Euro auf dem Markt für alles zusammen erzielen, und die hätte ich ihnen stattdessen gerne gegeben. Das Handy ist auf deutsch, da muss erst mal neue Software auf spanisch drauf. Und den PIN von der Karte wissen sie nicht, nützt ihnen also auch nichts. Ob die Objektive hier gut zu verwerten sind, wage ich auch zu bezweifeln. Mir selbst ist körperlich auch nicht sehr viel passiert, zwei kleine inzwischen angeschwollene Platzwunden auf der Nase unter der Brille, die Knie aufgeschürft und meine gute Wanderhose hat jetzt Löcher.
Ich hatte aber auch großes Dusel. Auf dem Schiff hatte ich nämlich meinen Bauchgurt mit Pass, anderen Papieren und 1000 Euro in meine Jacke gesteckt, um nicht jedes Mal die Fototasche mitschleppen zu müssen, wo sie sich sonst befand. Auch meine Geldbörse mit den Kreditkarten war in meiner Hose, und das Navi hatte ich in der Jackentasche.
Sollte man also meinen, das kann man wegstecken, nach ein paar Tagen ist das überwunden. Aber ehrlich gesagt, das hat meine Grundfesten erschüttert, ich bin wieder zu dem großen Platz und habe nur noch Schiß gehabt. Da kamen ständig Leute, aber bei jedem habe ich gedacht, na, will der jetzt den Rest? Den Rucksack, oder das Geld? Echt ein Scheiß-Gefühl. Jetzt habe ich ja mein Motorrad bald hier, da kann ich den Urlaub nicht eben abbrechen, aber ich werde auf jeden Fall versuchen, meinen Rückflug umzubuchen und von Arica genauso wie die andern nach Hause zu fliegen. In Peru alleine, da hätte ich nur noch Angst! Zur Not bezahle ich noch zusätzlich einen Flug.
Um 5 Uhr war der Überfall, um 6:15 Uhr wurde es hell. Zu Fuss traute ich mich da nicht mehr lang, also fragte ich einen Taxifahrer, ob das Bus-Terminal denn jetzt geöffnet sei. Er meinte ja, also ließ ich mich den einen Kilometer hinfahren .  Unterwegs erzählte ich ihm von dem Überfall, und ich hatte - wie ich im Beifahrerspiegel sah - ein ganz blutverschmiertes Gesicht. Das hörte er sich interessiert an, fragte noch, wieviele es denn gewesen seien, dann wollte er beim Aussteigen für den einen Kilometer 10000 chilenische Pesos, also umgerechnet 14 Euro, also das zehnfache dessen, was es wirklich kostet. Ich gab ihm dann 3000, und irgendwann trollte er sich. Ich fand aber auch dieses Verhalten wieder zum Kotzen, Abzocken, egal was passiert ist.

Der einzig besetzte Ticketschalter eröffnete mir, dass der nächste Bus nach Santiago am Mittwoch geht. Temuco ginge aber um 16 Uhr, dann wäre der Bus aber erst um 21 Uhr da. Ich kaufte das Ticket erst mal, denn ursprünglich wollte ich ja nach Temuco und weiter nach Pucon, um den Vulkan Villarrica zu besteigen. Aber schon wieder kurz vor der Dunkelheit, und irgendwie bin ich jetzt so verunsichert, ich will am liebsten erst mal gar nichts unternehmen. Zum Glück fand ich dann eine Busgesellschaft, die haben noch genau einen Platz nach Santiago heute Abend um 18:30 Uhr. Der Bus ist dann morgen Vormittag da,  ein Luxus-Quartier habe ich mir eben per Internet für 5 Tage gebucht. Nicht nur, dass ich mir bisher noch nie Santiago angeschaut habe, dort ist auch die beste Möglichkeit, mein Ticket umzubuchen oder ggfs. ein neues Ticket zu kaufen. Ich hoffe, dass sich dieses Angstgefühl bald wieder legt. Eins weiß ich, alleine mache ich in Chile nichts mehr. Und warm werde ich mit diesem Land und seinen Menschen auch nicht mehr. Vor 4 Jahren bei der ersten Tour war schon der Einbruch ins Auto und in das Hostal mit  großen Wertverlusten für die Betroffenen, aber das ging zumindest ohne körperliche Gewalt vonstatten. Das hier war schon noch einmal eine andere Nummer, ich hatte echte Angst um mich. Wenn das Motorrad nicht kommen würde, säße ich diese Woche noch im Flieger nach Hause. Den Witz bei der Sache finde ich, dass ausgerechnet die Chilenen, bei denen das alles passiert ist, immer behaupten, hier passiert nichts, wenn, dann nur in Argentinien, so auch wieder die beiden Radfahrer vom letzten Hostal.

Natürlich bin ich zum Teil selber schuld. Eine extra Fototasche reizt, und nachts damit und mit einem schweren Rucksack durch eine Hafenstadt zu marschieren, ist schon leichtsinnig. Ich war auch erst mal sehr vorsichtig, aber als ich dann die vielen jungen Menschen und auch junge Frauen alleine auf der Strasse gesehen habe fühlte ich mich sicher. Ich war ja in der Stadt an der Hauptstrasse entlang der Küste mit ständigem Autoverkehr. Außerdem waren in den bisherigen Orten meiner Reise die Menschen immer ganz alleine bis spätnachts unterwegs, und keiner hatte Angst oder ließ sich mit dem Taxi fahren. Irgendwie hatte ich einfach noch nicht umgeschaltet auf große böse Stadt. Wenn man um 2:30 Uhr vom Schiff kommt und um 7 Uhr ein Busticket am Terminal kaufen will, geht man nicht mehr in ein Hotel, und ich hätte auch nicht gewußt, wo eines wäre. Ich hätte am Schiffsterminal bleiben sollen, bis das zu macht, und mich dann vom Taxi an einen sicheren Ort bringen lassen sollen, aber hinterher ist man immer klüger. Und mein Leichtsinn ist auf jeden Fall für die nächsten Jahre kuriert.
Immerhin ist niemandem ernsthaft etwas passiert, und ich wollte es auch nicht drauf ankommen lassen. Als der eine der Beiden immer in seiner Jackentasche gekramt hat, dachte ich, er zückt jeden Moment ein Messer. Insofern ging es glimpflich aus. Und während ich hier im Bus-Terminal sitze, spielt einer auf dem Nachbarstuhl super Gitarre, so richtig melancholisch mit super Gefühl, das tut mir gut. Eine halbe Stunde später packt der zweite seine Tuba aus und spielt Dave Brubeck "Take Five". Und ein Cafe mit Internet gibt es auch. Macht euch mal keine Sorgen, das wird schon wieder. Um 18:30 Uhr geht der Bus.

Freitag, 21. Februar 2014

Caballero, es gibt ein Problem ....

So langsam habe ich von den Chilenen die Schnauze voll. Ich hatte ja schon die letzten Tage berichtet, wie ich mich als Deutscher als Zweite-Klasse-Mensch behandelt fühle. Gestern war ich ja zwangsweise umgezogen, hatte mich auf ein Doppelzimmer geeinigt und mußte dann nach einem Spaziergang doch fürs gleiche Geld in ein Dreibettzimmer umziehen.
Der Gipfel kam aber nach dem Abendessen, als offenbar für einen Gast ein Bett fehlte. Die Wirtin kam drei Mal ohne anzuklopfen einfach ins Zimmer, und beim dritten Mal ließ sie die Katze aus dem Sack. Es gäbe da ein Problem, und das wäre ich bzw. das Bett, das ich belegen würde....
Wenn ich müde bin und schlafen möchte, lasse ich mich nicht mehr so einfach vertreiben, und ganz offensichtlich haben sie jetzt eine andere Lösung gefunden. Trotzdem finde ich das schlichtweg unverschämt. Auch der vorherige Wirt hatte diese Masche drauf. Sein Kellner hatte mich an einen Tisch zum Mittagessen gesetzt, mein Getränk stand auch schon da. Nachdem eine chilenische Familie mit 2 Kindern ins Lokal kam, forderte mich der Wirt auf, mich doch bitte ans Feuer zu setzen auf die Bank, er erwarte eine Gruppe. Der Hammer war, diese Gruppe war genau diese 4-köpfige Familie, und die wollten an den Tisch am Fenster, an dem ich saß. Das zeigt in meinen Augen deutlich, was die ausländischen Touristen an Wertschätzung genießen, zumindest hier im Süden.
Was bin ich froh, wenn das Schiff heute Nachmittag mit mir an Bord Fahrt aufnimmt. Es ist ja nicht so, dass ich mir den langen Aufenthalt freiwillig ausgesucht hätte. Trotz Glotze bei voller Lautstärke, den Debatten der LKW-Fahrer vor dem Fenster und dem Hundegebell konnte ich schlafen. Der Trip auf den Vulkan für morgen findet defintiv nicht statt, ich bin extra spät noch einmal im Reisebüro vorbei, und da standen nur die Ausflüge nach Pumalin und zu den Thermen. So kann ich wenigstens in Ruhe Frühstücken und Packen.

Donnerstag, 20. Februar 2014

Mentalitätsfrage

Eigentlich wollte ich heute auf den Vulkan Chaiten. Den ganzen gestrigen Tag war der Ausflug für 9:30 Uhr ausgeschrieben. Anmelden musste man sich nicht, einfach nur pünktlich da sein und unterwegs bezahlen. Da mein Wirt mir schon am Anfang eröffnet hatte, dass ich die letzte Nacht nicht mehr bei ihm schlafen könne, weil er dann schließe, war mein Plan, mein Gepäck beim Tourveranstalter unterzustellen und nach dem Vulkan eine neue Bleibe für eine Nacht zu suchen. Wecker gestellt, alles gepackt, gegenüber zum Tourveranstalter gegangen ... und dann diese Überraschung! Statt 9:30 Uhr stand jetzt 8 Uhr am Fenster, das war vor einer Stunde, und damit waren die Leute schon weg. Die Dame am Schalter verstand plötzlich kein Wort Englisch mehr, ich solle doch um 15 Uhr wiederkommen, wenn Nicolas da wäre. Der sagte mir dann, sie hätten das kurzfristig geändert, und morgen sei wohl keine Tour zum Krater geplant. Da war es dann mit der Kratertour. 4 Tage bin ich in diesem Kaff festgebunden, und trotz aller Bemühungen hat es nicht geklappt, obwohl das Wetter davon 3 Tage gut war. Das fällt mir schwer zu akzeptieren.

Beim Reisebüro Chaitur traf ich dann auch meinen chilenischen Glückspilz wieder, mit dem ich schon einige Busfahrten zusammen gemacht hatte. Futaleufu wäre toll, das Rafting klasse gewesen, und das Wasser gar nicht so kalt wie befürchtet. Allerdings würden er und sein Freund jetzt 6 Tage hier in Chaiten festsitzen, vorher ging nichts, weder Schiff noch Bus. Das wäre für mich schon der KO-Schlag gewesen, denn dann hätte ich es gar nicht mehr rechtzeitig nach Valparaiso schaffen können. Sie sind heute Nachmittag zu den Thermalquellen mit 41°C heißem Thermalwasser, und für Samstag haben sie den Vulkan anvisiert. Bei den zahlreichen Besuchen im Reisebüro konnte ich dann feststellen, dass das Lokal mit vermieteten Zimmern, in dem ich bisher gewohnt hatte, keineswegs geschlossen hatte, sondern munter weiter die Gäste bediente. Vielleicht betraf es nur die Gästezimmer, ich weiß es nicht, aber ich könnte mir auch vorstellen, dass der Wirt eine Vorbuchung hatte und mich deshalb nicht länger behalten wollte. Gegenüber Chilenen ist man als Aleman immer nur 2.Wahl, das habe ich schon öfters festgestellt.

Das Hotel war ausgebucht, aber schließlich fand ich ein Hospedaje am Ortsrand. 10000 CLP für ein Doppelzimmer, verstand ich. Ich stellte meinen Rucksack rein und ging noch einmal zum Reisebüro und spazieren. Als ich wiederkam, zeigt die Wirtin mir ein Dreibettzimmer ohne Steckdosen, da müsste ich rein. Das andere würde jetzt 20000 CLP kosten. Wollte ich zwar nicht, aber was blieb mir übrig, wenn ich nicht erneut mit dem Rucksack auf Suche gehen wollte. Etwas später kamen dann 2 chilenische Radfahrer, die aus Puerto Montt hierhergeradelt waren und mit mir das Zimmer teilten. Die sprachen ganz gut Englisch und waren auch ganz nett. Zusammen mit einigen Spaniern aßen wir zu Mittag, Eintopf mit Wurst, Nachtisch und Cafe für 5000 CLP. Scheint der Einheitspreis zu sein, der Fisch hat genauso viel gekostet. Die beiden Radfahrer waren eigentlich ganz offen, schimpften über Pinochet, aber als ich ihnen meine bisherige Reise vorstellte, kam etwa diese Antwort: Punta Arenas, oh, sehr schön, Torres del Paine, super, die große Runde, Perito Moreno Gletscher, schiit, ist Argentinien. Sie erklärten mir noch, dass sich Chilenen und Argentinier nicht besonders leiden können. Aber sie hatten dieselben Vorurteile wie die meisten andern Chilenen auch.

Ich bin dann noch ein wenig am Meer herummarschiert und den Rio Blanco hoch, aber irgendwie bin ich mit diesem Kaff fertig, mein einzige Interesse ist nur, wie komme ich hier möglichst bald weg. Später rief ich dann noch bei Ulli an, um meine Geburtstagswünsche auch persönlich loszuwerden und nicht immer nur per email. Sie hatte gerade eine größere Frauengruppe daheim zum Feiern, und morgen will sie zu den Drecksäcken, einem Mainzer Karnevalsprodukt mit etwas mehr Niveau, meistens wenigstens. Der Clou ist ein riesiges Stoffschwein, das zwischen den Darbietungen im Zuschauersaal durchgereicht wird. Gerade, wenn man in der Einöde so festhängt wie ich derzeit, wird einem bewußt, dass es auch daheim so einiges gibt, was man vermisst. Und während in andern Ländern einem diese Form von Heimweh durch ausgesprochene Gastfreundschaft und Freundlichkeit leicht genommen wird, empfinde ich die Chilenen eher auf sich selbst bezogen, geschäftstüchtig und Fremden gegenüber wenig aufgeschlossen. Das liegt auch an meinen fehlenden Spanisch-Kenntnissen, klar, aber es liegt vor allem in der Mentalität der Chilenen.

Ich werde später noch einmal zum Reisebüro gehen, vielleicht tut sich ja morgen noch etwas hinsichtlich Vulkan. Das Schiff geht erst um 16 Uhr, da wäre noch Spielraum. 
die beiden wollen auf ihren chinesischen Rennsemmeln bis Villa O'Higgins

Rio Blanco mit Vulkan Chaiten im Hintergrund

Schieflage

der Staubsauger steht noch

Hochkonjunktur am Reisebüro

gestern saß der noch beim Trochnen

auf dem Mittelstreifen schmeckt es am besten

das war mal das Meer

selbst Häuser wurden hierher mitgespült

statt Yachthafen nun verlandetes Delta

Mittwoch, 19. Februar 2014

Fahrradtour zum Santa Barbara Beach

Leider wurde heute der Ausflug zum Vulkan nicht angeboten, morgen soll es aber soweit sein. Ein sehr netter Niklas, der nicht nur perfekt Englisch, sondern sogar ganz gut Deutsch konnte, wollte mir zwar den Ausflug zum Yelcho-Gletscher schmackhaft machen, aber Gletscher habe ich eigentlich genug gesehen, und im Bus sitze ich auch nicht so gerne. Als Alternative habe ich mir bei ihm ein Fahrrad ausgeliehen, um Richtung Pumalin-Park zu fahren.
Bis Santa Barbara war die Straße sogar noch geteert, und da bog ich links ab zu einem tollen Strand. Es standen ein paar Zelte herum, ein idealer Übernachtungsplatz für Radfahrer. Es gab aber auch einige Hostals. Hier hätte nach dem Vulkanausbruch das neue Chaiten entstehen sollen, aber die Bewohner wollten nicht aus ihrer alten Umgebung weg.  
Anschließend landete ich am Flughafen, der eigentlich nichts anderes ist als ein Stück der geschotterten Straße nach Caleto Gonzales. Da ich das Schild nicht so genau entziffern konnte und sonst auch niemand über die Piste fuhr, bog ich links ab, weil ich mich nicht drüber traute. Hätte ich aber ruhig machen können, wie ich hinterher feststellte. Ich fuhr noch etwa 10 km weiter auf teils guter, teils übler Schotterpiste, bis mir der Hintern wehtat. Ich muss schon sagen, die Radfahrer haben zwar eine gepolsterte Radhose an, aber dafür ja auch noch das schwere Gepäck. Je nach Beschaffenheit des Schotters stellt das schon extreme Ansprüche an Mensch und Rad dar. Für mich jedenfalls war nach rund 20 km Schluss und ich war froh, nach einer Weile wieder Teer unter dem Hintern zu haben. Meinen Plan, die 44 km bis zu den Cascadas Escondidas im Pumalin-Park zu radeln, hätte ich so oder so ziemlich schnell aufgegeben, denn nicht nur mein Bein schmerzte beim Radfahren, sondern nach einigen Kilometern auch der Hintern, und das Rad war eigentlich auch etwas zu klein für mich. Und knapp 90 km wären sogar mit meinem eigenen Rad incl. Radlerhose eine stramme Leistung.
Statt Wasserfällen habe ich mir einen schönen Fisch und später sogar noch einen Aprikosenkuchen im Cafe gegönnt, auch nicht schlecht. Schließlich liegt Chaiten am Meer, das übrigens 14°C hat, also zum kurzen Reinhüpfen durchaus taugt. Heute Abend muss ich packen, nachdem meine Unterkunft morgen schließt. Und morgen hat meine liebe Freundin Ulli Geburtstag, ich hoffe, ich kann sie telefonisch erreichen. Das Wetter wird hoffentlich schön, damit es mit der Vulkanbesteigung klappt. In Hartmut's Blog lese ich von 38°C in Brasilien, da kann Chaiten mit momentan 16°C nicht mithalten, auch wenn es einem in der Sonne viel wärmer vorkommt.
Übrigens habe ich den Blog jetzt wieder auf dem aktuellen Stand. Schaut auch mal zurück nach Punta Arenas, da sind noch eine ganze Menge mehr Bilder u.a. vom Friedhof drin. 
bis auf eines laufen die Pferde frei rum, hier in Chaiten am Strassenrand

weiße Schwäne mit schwarzem Hals im Salzwasser

Lachszucht, links sieht man die Fäkalien abdriften

Santa Barbara Beach zum Relaxen und Zelten

hat auch schon mal bessere Zeiten gesehen
schwarzer Sand bei 14°C Wassertemperatur
typischer Bewuchs

hier habe ich dann wegen "Popoweh" kehrtgemacht

Brandrodung oder Vulkanausbruch ?

guter Schotter

schlechter Schotter
geradeaus die Schotter-Landepiste Chaiten - bei Nutzung wird die Schranke runtergemacht
Freizeitvergnügen in Chaiten

die jungen Menschen versammeln sich bei Diskomusik an der ehemaligen Strandpromenade

der Vulkan Chaiten dampft heute gewaltig - hoffentlich klappt das morgen mit der Besteigung

Dienstag, 18. Februar 2014

Chaiten - Leben nach dem Vulkanausbruch

Am 2.Mai 2008 kurz nach Mitternacht weckten starke Erdstöße und eine Explosion die 5000 Einwohner der Stadt Chaiten am Pazifik. Alle dachten, es handele sich um den 35 km entfernten Vulkan Michinmahuida, denn niemand, auch die Vulkanologen nicht, ahnte etwas von der Existenz des aktiven Vulkans Chaiten nur 10 km von der Stadt, er galt als erloschen.
Innerhalb eines Tages bedeckte eine 20 cm hohe Ascheschicht die Stadt, und die Regierung ordnete die Zwangsevakuierung an. Häuser, Hab und Gut und der gesamte Viehbestand blieben zurück. Der Rio Blanco, der unterhalb des Vulkans entspringt, trat schließlich über die Ufer und suchte sich einen Neuen Weg mitten durch die Stadt Richtung Meer. Ganze Strassenzüge wurden durch Asche, Geröll und Schlamm weggespült, andere Häuser schwer beschädigt, die gesamte Wasser- und Energieversorgung wurde zerstört. Die ehemalige Uferpromenade liegt jetzt weit ab vom Meer, wo sich der ganze Schlamm schließlich ablagerte.

Schon kurz nach der Katastrophe kehrten die ersten Einwohner zurück, obwohl die Regierung Chaiten eigentlich aus Sicherheitsbedenken 10 km nördlich wieder aufbauen wollte. Inzwischen leben wieder 1500 Einwohner hier und versuchen an das Leben vor dem Ausbruch anzuknüpfen. Große Teile der Stadt sind aber immer noch ein lebendes Museum für die Auswirkungen des Vulkanausbruchs.

Eigentlich wollte ich heute diesen Vulkan besteigen, aber es regnete die ganze Nacht und auch tagsüber, so dass ich alle Aktivitäten erst mal verschob. Ein paar Fotos von gestern stelle ich noch hinein, die die im Schlamm versunkenen Häuser zeigen.  

hinten der rauchende Vulkan Chaiten 962 m hoch

vom trockenen Schlamm umgeben

typische Holzständerbauweise ohne Fundament

Schlamm bis zu den Fenstern

dieses Haus ist komplett schief angehoben worden - neue Schutzmauer

ein Haus ragt nur noch mit dem Dach heraus

die Übeltäter - hinten Vulkan Chaiten, vorne Rio Blanco

noch ein aufgegebenes Haus

das Meer reichte mal bis zur Uferstrasse, bevor der Schlamm kam

Nachdem es nachmittags doch noch zu regnen aufhörte, machte ich eine kleine Runde zum Hafen.
kaum ist der Regen weg, wird der Fuss in den Pazifik gesteckt

die müssen sich auch erst mal trocknen

wenn das Wasser nicht so kalt wäre .....

am Pazifik

die oben gelegenen Häuser in Chaiten wurden vom Schlamm verschont

Montag, 17. Februar 2014

17.02.2014 La Junta nach Chaiten

Um halb fünf Uhr morgens gab es im Nachbarzimmer Remmidemmi, sie wollten wohl den Bus morgens um 5 Uhr nach Coyhaique erwischen. Ich konnte dann aber trotzdem noch ein wenig schlafen und bin dann zum Frühstück runter zu den beiden Damen des Hauses. Die etwas trockenen Brötchen mit Himbeermarmelade, ein Nescafe, was will man mehr. Zwischendurch sah ich das eine Pärchen von gestern, die am Campingplatz übernachtet hatten, schon zur Strasse ziehen. Ich ließ mir aber Zeit, zahlte die 12000 CLP und ging dann an allen Trampern vorbei ganz nach vorne zu dem Chilenen, mit dem ich schon seit Cochrane immer wieder den Bus teile. Er versteht Englisch und kann immer ganz wunderbar übersetzen. Ich zählte übrigens 25 Tramper in 1-3 er-Gruppen, und nur ein Pärchen sah ich dann wirklich im Auto sitzen. Der Chilene und ich unterhielten uns noch ein wenig. Er ist auch leidenschaftlicher Photograph und hat nicht nur seine Nikon und eine GoPro dabei, sondern auch Notebook und Stativ. Entsprechend schwer ist sein Rucksack, aber meinen toppt wohl keiner. Er erzählte mir noch, was er für ein Glück in letzter Zeit gehabt hätte. In Cochrane sah er den Huemul im RN Tamargo, in der Cueva de las Manos kam er in den für Besucher abgesperrten Teil und war ganz begeistert. Die Photos waren auch beeindruckend. Wir wünschten uns noch Glück, dann zog ich weiter. Ich hatte mir nämlich ausgerechnet, dass ich bei strammen Tempo in 3 Tagen in Villa Santa Lucia sein könnte, wo es wieder einen regelmäßigen Busverkehr nach Chaiten geben sollte.
Zuerst war es bewölkt, aber die Sonne kam bald heraus und die Wolken verzogen sich. Es ging immer am Rio Palena entlang, eines mächtigen Flusses. Nach knapp 5 km nahm mich ein Transporter mit für immerhin 8 km. Ich saß auf der Ladefläche zusammen mit dem Hund der Fahrer, aber jetzt ich war sicher, dass mein Plan aufgehen würde. Und vielleicht ging es ja sogar schneller.
Beim Aussteigen warteteten schon wieder 2 Tramper, also ging ich weiter. Ein Rotel-Hotelbus mit Anhänger fuhr an mir vorbei, natürlich ohne anzuhalten. Nach insgesamt 18 km hielt plötzlich ein Auto, und der chilenische Glückspilz sprang munter heraus. Er hätte mir ja gesagt, er hätte eine Glückssträhne, er erwischte ein Auto bis Villa Santa Lucia. Und drin saßen auch schon die beiden Tramper vom letzten Stop. Super, das wäre geschafft.In Santa Lucia wollten alle weiter ins Rafting Paradies Futaleufu, mir war das aber zu unsicher wegen der Zeit. Für gerade mal 1000 CLP fand ich ein Auto, das mich nach Chaiten brachte. Es ging vorbei am Lago Yelcho mit dem darüber zu sehenden Ventisquero Yelcho, am Abzweig des Rio Amarillo vorbei zur Hafenstadt Chaiten.
Zuerst ging ich mal zum Reisebüro, nächste Möglichkeit zur Busfahrt nach Puerto Montt ist am Samstag. Heute ist Montag! Da es schon der letzte Platz auf diesem Bus war, buchte ich ihn für 10000 CLP. Jetzt überlege ich Alternativen, Schiff auf die Insel Chiloe, oder Trampen über den Pumalin-Park. Mal sehen, im schlimmsten Fall bleibe ich halt 5 Tage hier. Ein Zimmer für 9000 CLP hatte ich gleich gefunden, WiFi soll es auch geben. Ich kann mir Besseres im Urlaub vorstellen, als immer nur auf den Bus zu warten. Aber jetzt kann ich nichts mehr ändern. Die Chilenen haben mir erzählt, es wäre eben Sommer und Hauptreisezeit. Aber solange Wartezeiten wie dieses Jahr hätte es noch nie gegeben.
Zuerst ging ich mal in die vom Vulkanausbruch 2008 besonders betroffenen Teile von Chaiten, davon morgen mehr. Genauso wie schon heute Vormittag beim Laufen fiel wieder eine dieser eklig großen rotbraunen Pferdebremsen über mich her.  Die machen einen Höllenlärm und haben fast Maikäfergröße, jedenfalls möchte ich von denen nicht gestochen werden. Ich habe schon 2 Tage nicht geduscht, irgendetwas zieht sie an. Irgendwann war der Kampf mit tödlichen Ausgang beendet, und ich konnte mich wieder aufs Einkaufen und und das Boot konzentrieren. Bei Naviera Austral muss man am Schalter genauso Nummern ziehen wie daheim bei der Zulassungsstelle, aber es ging dann doch noch recht flott.Tatsächlich war noch ein Sitzplatz für Freitag frei, einen Tag eher als der Bus. Gleich gebucht und die 16000 CLP bezahlt, und kaum war mein Ticket ausgedruckt, fiel der Strom aus. Schwein gehabt! Dann habe ich mir erst mal eine Rolle Kekse an der früheren Uferpromenade gegönnt und sehe jetzt der Fahrt nach Santiago doch einigermaßen entspannt entgegen. Anschließend ging ich noch einmal zum Reisebüro und gab das Busticket für 8500 CLP zurück, also nur 1500 CLP Verlust. Sie bieten verschiedene Ausflüge an, u.a. auf den Vulkan Chaiten. Der ist knappe 1000 m hoch und raucht immer noch. Wenn es morgen klappt, mache ich die Tour mit, und vielleicht am Mittwoch noch eine Tour in den Pumalinpark. Irgendwie werde ich die Tage schon rumbekommen. Der Wirt eröffnete mir, dass er sein Restaurant mit Hostal am Donnerstag schließt, also muss ich mir für eine Nacht noch etwas anderes suchen. Anscheinend ist die Saison am Ende, nur bei den öffentlichen Nahverkehrsmitteln merkt man da noch nichts. Und auch nicht auf der Strasse, an jeder Kreuzung ein halbes Dutzend Rucksackleute und auf der Strasse jeden fünften Kilometer ein Radfahrer.
am Rio Palena

wir zwei hatten Platz genug und gingen uns aus dem Weg

Lago Yelcho am gleichnamigen Gletscher

kurz vor Chaiten ist wieder alles geteert

Sonntag, 16. Februar 2014

16.02.2014 - Coyhaique nach La Junta

Zum Glück war ich letzte Nacht längere Zeit mit meinem Blog beschäftigt, denn Schlafen konnte man bei dem Lärm sowieso nicht. Bis 2 Uhr nachts die Autos mit Verstärkern, die selbst einer Rockband zur Ehre gereichen würden. Und als die meisten genug hatten, fingen die Hunde an. Einer jaulte los, 100 andere stimmten in den Chor ein. Gegen 5 Uhr morgens waren die dann auch müde und die Luft etwas kühler, da konnte ich noch für 2 Stunden schlafen.
Da der Bus erst gegen 15 Uhr ging, machte ich noch einen Stadtbummel in Coyhaique. Aber bis auf einen zur Abwechslung mal 5-eckigen Plaza gab es nichts zum Schauen. Obwohl Sonntag war, hatten Unimarc und andere Geschäfte geöffnet. Bei Navimag war allerdings geschlossen, die Alternative Fähre ab Puerto Chacabuco fiel damit endgültig aus. Dafür hat der Geldautomat meine Visa-Karte anstandslos genommen, da brauche ich mir erstmal keine Sorgen machen. Anschließend ging ich in mein Hostel und döste noch eine Stunde in einem Sessel.
Der Bus war fast voll, und wer saß neben mir? Der Schwede, den ich in Mandelario Mancilla kennengelernt hatte. Er hatte ein paar Tage mit Fischen in Villa O'Higgins verbracht und war dann mit einem ganz normalen Bus weitergefahren. Die Panikmache der Italiener war also unnötig, es gibt einen normalen Bus, vielleicht sogar derselbe, mit dem wir auch gefahren sind. Nur hat der Schwede 8000 CLP bezahlt, wir jeder 36000 CLP. In Cochrane musste er auch nur eine Nacht warten, Glückspilz. Er stieg aber schon bald wieder aus, weil er da ein schönes Angelgebiet vermutete. Wer weiß, ob der mich irgendwann wieder überholt.
Zugestiegen waren dagegen für die vorhandenen 5 Plätze 3 dicke Frauen mit 7 Kindern. Als der Schwede raus war, meinte ich zu den Kindern, sie könnten den Platz neben mir ruhig belegen. Ein vielleicht 6-jähriges Mädchen hat das dann sehr wörtlich genommen und nicht nur diesen Sitz, sondern auch noch die Hälfte von meinem Sitz belegt. Nicht absichtlich, sondern im Schlaf fiel ihr Kopf und ihr Hand zu mir rüber, und unten rutschte das Gepäck unter meine Füsse. 
Zuerst ging es auf Teerstraße Richtung Puerto Aysen, dann bog die Strasse aber 20 km vor Aysen rechts ab und zog sich im Tal des Rio Manihuales lang. Mehrmals waren Stellen, wo die Chilenen im Fluss zum Baden waren. Die Temperaturen sind inzwischen auch sommerlich, in der Sonne sogar echt heiß, und im Bus lief einem die Brühe herunter. Zum Glück gab es dann irgendwann 10 Minuten Pause, und ich verdrückte ein Stück Kuchen. Anschließend ging es auf Teer  weiter bis etwa 100 km vor La Junta. Es ging rechts ab und auf Schotter in Serpentinen gleich steil nach oben in den Nationalpark Queulat. Die Berge waren oben wieder alle weiß, viele Gletscherzungen kamen herunter, u.a. der Ventisquero Colgante. Leider hält der Bus ja nie an, Fotos kann ich daher nicht bieten. Dann schraubt sich die Schotterstrasse wieder hinunter zum Canal Puyuhuapi und dem gleichnamigen Städtchen. Hier wird Wassersport betrieben, Ausflüge in die Umgebung gemacht, da ist richtig was los. Inzwischen war es aber schon 8 Uhr abends, und ohne Pause ging es noch die restlichen 50 km nach La Junta, teils wieder auf neu geteerter oder im Bau befindlicher Strasse. Punkt 21 Uhr , als meine Pobacken nicht mehr konnten, kamen wir in La Junta an. Was soll ich sagen, morgen kein Bus, und übermorgen früh um 5 Uhr einer aus Coyhaique, bei dem unsicher ist, ob er nicht schon voll ankommt und überhaupt einen mitnehmen kann. Es ist echt zum Kotzen! Dabei sind es nur noch 150 km bis Chaiten, und ab da sollte es dann wieder Möglichkeiten nach Puerto Montt geben. So werde ich es morgen einfach mal mit Trampen versuchen, vielleicht habe ich Glück. Ein Hospedaje habe ich schnell gefunden, auch wenn meine Kammer nur genauso groß ist wie das Bett. Aber ich bin ja sowieso todmüde, hoffe nur, die Hunde geben heute Nacht Ruhe.
Coyhaique liegt an diesem markanten Felsblock

Restaurant Dali

fast schon wie daheim

Zwischenstop Puyuhuapi

Samstag, 15. Februar 2014

15.02.2014 - Cochrane - Coyhaique

Wäsche gewaschen, rasiert, Batterien aufgeladen, pünktlich eine Viertelstunde vor Abfahrt des Busses stand ich bereit, als einer der ersten. Die meisten Chilenen kamen erst nach 8 Uhr, warum auch. Letztlich waren beide Busse bis auf den letzten Platz gefüllt, und es ging los. Ich kann euch sagen, eingequetscht zwischen meinen Neben- und Vordermann 230 km auf Schotterpiste und weitere 100 auf Teer auf den kleinen und unbequemen Sitzen, das ist schon echt Masochismus! Nach etwa 3 Stunden gab es inn Rio de Tranquillo die erste Viertelstunde Pause, wobei ich die damit verbrachte, mich am Klo anzustellen. Hier war jede Menge los, ein hoffnungslos überfüllter Campingplatz und die vielen Angebote für Bootstouren zu den Marmorkapellen. Viele Rucksackleute wollten mit dem Bus mit und blieben da, weil kein Platz war.
Die Landschaft war übrigens wunderschön, wieder bergiger mit schneebedeckten Spitzen und Gletschern oberhalb der vielen Seen, die den Bodensee im Ausmaß um ein Mehrfaches übertreffen. Teils ging es am Rio Baker entlang, der sich mit rasender Strömung durch die Schluchten wälzt. Anschließend ging es zum Berg Cerro Castillo und dem gleichnamigen Ort, wo wir kurz nach 15 Uhr eintrafen und wieder eine kurze Pause hatten. Die letzten 100 km nach Coyhaique ging es dann auf Asphalt, die Landschaft wurde hügelig und hatte fast europäische Züge mit den Rundballen des abgeernteten Heus, die überall auf den Feldern lagen.
Im Busterminal gleich der nächste Schock: der nächste Bus Richtung Chiloe und Santiago geht erst in 6 Tagen ! Jetzt habe ich mir erst mal ein Ticket nach La Junta gekauft, das liegt auf halben Weg nach Chaiten. Von Chaiten habe ich dann 2 Möglichkeiten, entweder mit der Fähre nach Chiloe, oder mit dem Bus über den Pumalinpark nach Puerto Montt. Noch gebe ich ja die Hoffnung nicht auf, dass ich in 3-4 Tagen in Puerto Montt bin. Eine Alternative wäre noch das Boot von Puerto Chacabuco, aber online kann man für das Schiff am Dienstag nichts mehr buchen. Mal sehen, ob ich in der Stadt morgen ein Büro finde.
Ein Hostel mit Wifi gab es auch in der Nähe des Bus-Terminals, so dass ich endlich mal wieder meinen Blog pflegen kann. Allerdings wackelt immer der ganze Boden, wenn draußen ein Auto vorbeifährt, und besonders ruhig gelegen ist es hier nicht gerade. Beim Kochen habe ich festgestellt, dass ich irgendwo den Griff für meine Töpfe habe liegen lassen. Wahrscheinlich, weil ich ihn die letzten Tage nicht brauchte. Ärgerlich, aber irgendwie muss es dann halt mit einem Handtuch gehen. Meinen Leatherman lasse ich auch hier, das Messer ist total stumpf, und das Ding ist unheimlich schwer. Mal sehen, ob ich nicht doch noch unter die 20 kg beim Rucksack komme, wenn das so weiter geht. 
Lago General Carrera

der Lago General Carrera hat eine Größe von 1850 qkm, 3 1/2 mal größer als der Bodensee

Pause in Cerro Castillo
Cerro Castillo 2675 m hoch

Felsformationen