Freitag, 14. Februar 2014

13.02.2014 - vom Aushalten und Warten

Schon früh habe ich das italienische Pärchen werkeln hören. Als die Tür zum Bad aufging, bin ich raus, sagte "good morning" und putzte mir die Zähne. 5 Minuten später kam ich wieder raus, beide waren weg. Kein Ciao, Adios oder Bye, auch nicht durch die Tür durch, nein, einfach sang- und klanglos verschwunden. Es gab keine Eile, kein Bus ging, sie wollten an die Strasse laufen und per Anhalter wegkommen. Immerhin waren wir seit der Fähre über den Lago del Desierto 4 Tage zusammen gereist, auch wenn wir nicht näher ins Gespräch kamen. Für Menschen im Rentenalter finde ich dieses Verhalten wirklich armseelig, selbst mir völlig unbekannte Chilenen sagten mir Ciao, wenn sie die Unterkunft verliessen. Aber irgendwie passte es zu den Beiden. Warteten wir auf einen Mini-Bus, stand sie schon immer an der Beifahrertür, damit ihr nur niemand den besten Sitz wegnehmen konnte.
Irgendwie war ich dann auch ganz froh, die Beiden los zu sein. Ein Nachteil, nachdem ich mich über Nacht entschlossen hatte, bis Samstag hier zu warten, ist lediglich der jetzt doch recht hohe Zimmerpreis von 30000 CLP pro Tag, den ich jetzt alleine zu tragen habe. Das Wetter ist super, blauer Himmel ohne Wolken, laut Fernseher, den ich mal kurz angedreht hatte, sollen es mittags 22°C werden. In Santiago sogar 32°C, aber bis dahin dauert es ja noch. Sicher hätten mich die Marmorkapellen bei Puerto Rio Tranquillo auch interessiert, und die 100 km hätte ich bestimmt per Anhalter geschafft. Auch die Cueva de las Manos mit etwa 10000 Jahren alten Felszeichnungen der Ureinwohner nochmals 100 km weiter wären interessant gewesen, aber jedes Mal hätte sich dasselbe Problem ergeben: wie komme ich von diesem Ort wieder weg? Bei uns daheim ist man es gewohnt, dass man vielleicht nicht heute, aber spätestens morgen von jedem Ort wieder wegkommt. Hier im chilenischen Patagonien, in dem es keine Teerstrasse gibt, ticken die Uhren anders.
Es ist fast unmöglich, ein Ticket über Internet für einen bestimmten Zeitpunkt vorzubuchen, weil man einfach nicht genau weiß, wann man wo sein wird. Und da wir momentan Reisezeit hier im Süden haben, sind die wenigen Busse entsprechend frequentiert und ausgebucht. Damit gibt es dann nur 2 Möglichkeiten: trampen oder einige Tage warten. Wohl dem, der wenigstens etwas Spanisch kann, der hat es leichter. Welcher potentielle Mitnehmer möchte schon stundenlang einen Beifahrer neben sich sitzen haben, mit dem er sich gar nicht unterhalten kann? So habe ich mich denn entschlossen, lieber ein paar Tage in der komfortablen Cabana zu verbringen und meinem Fuss etwas Ruhe zu gönnen als mich auf das ungewisse Abenteuer einzulassen, per Anhalter die 330 km nach Coyhaique zu schaffen.
Nach einem Kaffee habe ich erst einmal meine ganze Wäsche gewaschen, und da kam einiges zusammen. Sie hängt jetzt in dem kleinen Garten vor dem Haus zusammen mit den Handtüchern der Wirtin. Danach kam ich selbst an die Reihe, Duschen , Rasieren und Nägelschneiden. Schon fühle ich mich um Klassen besser. Alle Akkus meines Technikgerödels sind inzwischen auch wieder aufgeladen, und so marschierte ich denn erst mal zur Strasse, um nach den Italienern zu sehen. Nach 4 Stunden waren sie jedenfalls nicht mehr da, ich denke, sie werden es bestimmt zu den Marmorkapellen geschafft haben. Anschließend inspizierte ich den Ort, aber das gibt es eigentlich nicht viel zu berichten. Einen schönen Platz in der Mitte, einige Läden, viele Centro de ..... weiß der Himmel was, eine Schule, eine Feuerwehr und auf einem Hügel das gigantische COCHRANE-Schild in der Manier von Hollywood. Laut Reiseführer soll Cochrane 4000 Einwohner haben, aber das wichtigste ist wohl, dass hier der südlichste Geldautomat auf der Carretera Austral steht. Im Reiseführer konnte ich denn auch lesen, dass der ATM nicht alle Karten akzeptiert.
Ich werde heute Nachmittag noch einmal einen kleinen Spaziergang machen und danach meine Fotos bearbeiten und die Blogs weiterschreiben, damit ich dann die Berichte schnell nachlegen kann, wenn mal wieder Internetempfang da ist. Es fällt mir unheimlich schwer, so lange Zeit zu warten und quasi nach Beschäftigung zu suchen. Vielleicht mache ich morgen bei schönem Wetter einen Ausflug zum Lago Cochrane mit einem Park, in dem man die seltenen Huemul-Andenhirsche sehen kann.
Nachdem es nun aber schon das zweite Mal der Fall ist, dass ich auf einen freien Busplatz warten muss, nehme ich doch immer mehr Abstand von dieser Art des Reisens mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Trekking war etwas Anderes, da hatte man alles selbst im Griff, und genauso möchte ich auch die großen Entfernungen zurücklegen. Selbst bestimmen, wo ich bleibe, was ich mir anschaue, wo ich anhalte, um vielleicht ein schönes Bild zu schiessen oder einfach, weil ich mal dringend hinter die Büsche muss. Es nervt mich, wenn der Bus erst nachmittags um 16 Uhr losfährt und ich dann weiß, dass es beim Ankommen schwierig mit der Quartiersuche wird, von einer Weiterfahrt ganz zu schweigen. Man muss viele Ziele und Sehenswürdigkeiten links liegenlassen, weil der Bus da nicht hält und man wegen jedem Stop gleich mindestens einen Tag verliert. Und auch preislich finde ich Busfahren ausgesprochen teuer, vor allem im Vergleich zum Fliegen. Mal sehen, ob es im nördlichen Teil der Carretera Austral besser wird mit den Verbindungen. Insgeheim bedauere ich es schon, nicht doch mein Rad mitgenommen zu haben, aber zusammen mit dem Motorrad hätte das in der kurzen Zeit auch nicht funktioniert, da braucht es schon mindestens ein halbes Jahr. Oder vielleicht noch einmal für einige Monate mit dem Motorrad.   
eines der Nachbarhäuser in Cochrane

meine Cabana

Wäschetag

vor der Tür eine riesige Nalca-Pflanze mit Blüte

der Platz von Cochrane

Patagonien ohne Staudämme

Treffpunkt Hauptplatz vor dem Geschäft

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